Ein überraschendes Angebot ,
Orkhan erzählt, wie er darauf kam sich bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) für die dreijährige Ausbildung zum Fachangestellten für Arbeitsmarktdienstleistungen zu bewerben.
Seinen Arbeitstag beginnt Orkhan am Computer. Er sichtet E-Mails und liest News. Gibt es keine dringenden Arbeitsanweisungen, beginnt er mit seiner Hauptaufgabe: Anträge auf Arbeitslosengeld I sichten und prüfen. Griffbereit liegen die Gesetzbücher auf seinem Schreibtisch. Auf deren Grundlage entscheidet er, ob und inwiefern er die Anträge bewilligen kann.
Der 36-Jährige schüttelt heute lachend den Kopf darüber, dass er damals dachte, die Agentur für Arbeit sei ein privates Unternehmen. Damals, das war 2015. Er war mit seiner Frau und zwei Kindern aus Aserbaidschan geflüchtet und noch nicht lange in Deutschland. Während sie als Germanistin sofort Arbeit als Deutschlehrerin fand, konnte er mit seinem Abschluss in Jura hier nichts anfangen.
Übernahme garantiert
Einstiegsqualifizierung IdA – Integration durch Ausbildung
Das Programm "IdA – Integration durch Ausbildung" war ein Angebot der Bundesagentur für Arbeit – Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland. Es lief von 2016 bis 2020 und richtete sich an geflüchtete und asylsuchende Menschen. Die Einstiegsqualifizierung dauerte acht Monate und diente als Vorbereitung für eine Ausbildung bei der Agentur für Arbeit mit dem Schwerpunkt Sprachförderung.
Eine Einstiegsqualifizierung ist ein sozialversicherungspflichtiges und vergütetes Praktikum. Sie soll Jugendliche und junge Erwachsene, die sich bereits für einen konkreten Beruf entschieden haben, auf eine Ausbildung vorbereiten. Im Betrieb werden sie an die entsprechenden Ausbildungsinhalte herangeführt und können ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen.
Deshalb vereinbarte er einen Beratungstermin bei der Agentur für Arbeit. In einem langen Gespräch klärte ihn die Beraterin nicht nur darüber auf, dass die BA eine Bundesbehörde ist – mit hunderten von Einsatzorten in ganz Deutschland. Sie machte ihm auch ein überraschendes Angebot: "Wie wäre es mit einer Ausbildung zum Fachangestellten für Arbeitsmarktdienstleistungen bei der Agentur für Arbeit?"
Die Arbeit habe viel mit Gesetzen zu tun – also mit seinen Interessen. Sie sei abwechslungsreich und die Perspektiven seien super: Auszubildende würden nach erfolgreichem Abschluss in der Regel unbefristet übernommen. Und: Gerade gebe es in Rheinland-Pfalz eine Einstiegsqualifizierung speziell für Zugewanderte. Ein intensives Trainingsprogramm zum Lernen der Sprache und Lebenskultur in Deutschland und zur Vorbereitung auf die Ausbildung. Bezahlt wie im ersten Ausbildungsjahr. Unter einer Behörde hatte sich Orkhan bis dahin eingefahrene Routinearbeit vorgestellt. Das hier klang anders. Er nahm das Angebot an und bewarb sich.
Und er hat es geschafft: Ausbildungsplatz bekommen, Abschlussprüfung bestanden, unbefristeten Arbeitsvertrag unterschrieben, im Wunschteam gelandet. Seit Kurzem ist er Festangestellter in der Agentur für Arbeit Neuwied.
Karl-Ernst Starfeld, der Vorsitzende der Geschäftsführung, war zuerst skeptisch als die Regionaldirektion in Saarbrücken mit "Integration durch Ausbildung (IdA)" startete. Mit Gesetzestexten arbeiten, komplexe Antragsverfahren durchdringen und Arbeitssuchende beraten – das erfordert gute Kommunikationsfähigkeiten und eine sehr hohe Sprachkompetenz. Er fragte sich, ob zugewanderte Menschen das so schnell lernen können. Orkhan und die anderen IdA-Absolventen haben es bewiesen.
"Wir haben neun Monate quasi wie im Internat gelebt und rund um die Uhr Deutsch geübt"
, erzählt Orkhan. Persönlich hatte er einen kleinen Startvorteil: Seine Frau, die Germanistin, half ihm schon bei der Ankunft in Deutschland die neue Sprache zu lernen. Deshalb konnte er zu Beginn der Einstiegsqualifizierung ganz gut Deutsch. "Eine große Herausforderung für alle war die Umgangssprache zu lernen und auch die Interpretation der Gesetzestexte"
, berichtet Orkhans Ausbildungsleiterin Birgit Kelter. Durch den intensiven Unterricht wurde das Sprachniveau bei allen stetig besser. Von vier IdA-Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Standorts Neuwied haben zwei die Ausbildung bereits erfolgreich abgeschlossen. Die beiden anderen sind noch Azubis. Karl-Ernst Starfeld ist heute stolz, dass sein Haus vielfältiger, offener und toleranter geworden ist. "Wir spiegeln mit unserem Personal besser die gesellschaftliche Realität wider"
, sagt er.
Modern und abwechslungsreich
Ausbildung im Überblick
- Fachangestellte/r für Arbeitsmarktdienstleistungen
- Dauer: 3 Jahre
- Ort: zahlreiche Standorte in ganz Deutschland
- Aussichten: sehr hohe Übernahmechancen
- Das sollte mich interessieren: Wirtschafts- und Sozialpolitik sowie der Umgang mit Rechtsvorschriften
- Das brauche ich: Mittlerer Bildungsabschluss
Selbstbewusst geht Orkhan durch die Flure und Etagen seiner Arbeitsstätte, klärt kurz etwas mit einem Kollegen und nimmt dann den Aufzug in den letzten Stock zur Dachterrasse. Kurze Pause mit Blick über die Stadt.
Als er noch in der Ausbildung war, machte er Pause im Azubiraum. Dort sitzen jetzt die Neuen – vier junge Menschen, die gerade ihr erstes Ausbildungsjahr begonnen haben. Warum sie sich beworben haben? Die Ausbildung bei der BA sei modern, gut strukturiert, abwechslungsreich und eine sichere Sache, sagen sie.
Sie lernen verschiedene Teams kennen: Eingangszone, Empfang, Jobcenter, Berufsinformationszentrum (BIZ), Leistungsabteilung, Familienkasse und Servicecenter. Sie helfen Menschen, zum Beispiel beim Ausfüllen von Anträgen und Formularen und lernen Beratungsgespräche zu führen. Sie lernen im Team, bekommen Recherche-Aufträge, halten Präsentationen und lernen spielerisch. "Am Anfang haben wir zum Beispiel als Rollenspiel die Agentur aus Kundensicht kennengelernt"
, erzählt Orkhan. Um das theoretische Wissen zu vermitteln gibt es Fachausbilder, die aus der Praxis kommen und die Azubis in Lernmodulen unterrichten.
Azubi in Teilzeit – gut für Eltern in Ausbildung
Quelle: BAMF
Als Fachkraft für Ausbildung und Qualifizierung kümmert sich Birgit Kelter im Haus um alle Belange der Auszubildenden – in pädagogischer und rechtlicher Hinsicht gemäß dem Berufsbildungsgesetz (BBiG). Sie koordiniert die verschiedenen Jahrgänge und organisiert die Praxisphasen in den verschiedenen Teams. "Als Orkhan erzählte, dass seine Frau nach der Erziehungszeit wieder arbeiten wolle, war klar: Wenn beide Eltern Vollzeit arbeiten, wird es mit der Kinderbetreuung eng"
, sagt Birgit Kelter. Er fragte, ob eine Stundenreduzierung möglich sei. Sie stellte für ihn einen Antrag auf Ausbildung in Teilzeit. Der wurde durch die zuständige Stelle bewilligt und verschaffte Orkhan die Zeit, sich gemeinsam mit seiner Frau um die Kinder zu kümmern. Eine große Erleichterung.
Rückblickend überlegt Orkhan nicht lange, was das Beste an der Ausbildung war: "Die vielen Kontakte. Ich habe so viele Menschen kennengelernt. Einige sind Freunde geworden."
Text: Valeska Zepp
Was sind Azubi-Porträts?
Azubi-Porträts bieten Dir authentische Einblicke in den Arbeitsalltag von Auszubildenden unterschiedlicher Bundesbehörden. Auf diese Weise kannst Du Dir einen Eindruck davon verschaffen, was sich eigentlich hinter den mehr als 130 Berufen verbirgt, in denen die Bundesverwaltung ausbildet. Da die Porträts für einige Zeit hier auf der Seite zu sehen sind, kann es natürlich sein, dass die vorgestellten Auszubildenden mittlerweile ihre Ausbildung beendet haben und den nächsten Karriereschritt machen. Wenn auch Du den nächsten Schritt machen möchtest und Dich für eine Ausbildung oder ein Studium in der Bundesverwaltung interessierst, zeigen wir Dir, wie es geht!